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Fraktionserklärung zum Corona-Haushalt 2020

Wir sind mittendrin, mittendrin in der Coronakrise. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft können wir augenblicklich nur erahnen. Zu den Verlierern gehören beispelsweise viele Familien, denn die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist seit März abhanden gekommen, auch wenn für die Eltern von KiTa-Kindern diese Woche Besserung in Sicht ist. Wir erleben gerade, dass das Wiederhochfahren deutlich schwieriger ist als der Shutdown. Wirtschaftlich müssen wir uns auf eine V- oder W-Formation einstellen. Der Börsianer Dirk Müller meint: In diesem Frühsommer befinden wir uns im Auge eines Hurrikans, der Herbst könnte sehr stürmisch werden, wenn die Zahl der Insolvenzen und der Arbeitslosen steigt. (und 2. Infektionswelle). Diese globale Pandamie ist nicht mit der Wirtschaftskrise 2008/9 vergleichbar, denn vor 10 Jahren war überwiegend der Finanzsektor betroffen, keineswegs fast alle Branchen und es gab auch keinen wochenlangen totalen Stillstand. Vermutlich wird die derzeitige Coronakrise nur mit der Weltwirtschaftskrise 1929/30 zu vergleichen sein. Noch wissen wir es alle nicht, denn wir sind wie gesagt noch mittendrin, obwohl die Normalisierung zur Zeit fortschreitet.

 

Daher geht es im Haushaltsjahr 2020 ausschließlich um Krisenbewältigung gepaart mit etlichen Unsicherfaktoren und um nichts Anderes! Für die FDP-Fraktion und fast alle anderen Fraktionen, die Ortschaftsräte und das Jugendparlament war schnell klar, dass alle gestellten Haushaltsanträge im Wert von 1,8 Mio. € für das laufende Jahr zurückgestellt werden müssen. Der finanzielle Gestaltungsspielraum ist vorübergehend abhanden gekommen! Sehr bitter für Gemeinderäte und Parlamentarier, dennoch einfach die Realität. Die gewählten Volksvertreter sitzen mit allen Bürgern und Bürgerinnen, die seit Mitte März auf viele Rechte verzichten mußten und teilweise noch immer müssen, in einem Boot. Die einmalige Einschränkung seines "Königsrechts", die die große Mehrheit des Häfler Gemeinderates bereit ist hinzunehmen, ist aus meiner Sicht kein übermäßiges Opfer im Vergleich zur Bevölkerung, den Betrieben, Selbstständigen und Künstlern. Insgesamt meint die FDP-Fraktion, dass das Krisenmanagement in Friedrichshafen in allen Bereichen bisher ein sehr Gutes war. Hervorheben möchte ich die zügige Umsetzung von Corona-Verordnungen des Landes, die meist sehr kurzfristig kamen. Dank an Sie, Herr Brand, ihre Kollegen und Mitarbeiter/-innen in der Stadtverwaltung. Zur finanziellen Krisenbewältigung gehörte die Häfler Soforthilfe, also Stundungen von Gewerbe- und Grundsteuer, Mieten in städtischen Liegenschaften sowie die Zurückzahlung kommunaler Gebühren. Hervorzuheben ist, dass in Friedrichshafen 2020 keine Haushaltssperre verhängt wird, sondern nur gekürzt und verschoben. Als soziale Komponente werden dieses Jahr alle Freiwilligkeitsleistungen voll gewährt, um Vereinen und anderen Empfängern Verlässigkeit zu geben. Das bedeutet: Trotz deutlicher Einnahmeausfällen soll im Übergangshaushalt 2020, wie Sie, Herr Brand es nannten, noch nicht der große, dicke Rotstift angesetzt werden. Gegenüber Dezember 2019 wurde der städtische Ergebnishaushalt wie auch der Finanzhaushalt um jeweils 16 Mio. € gekürzt. Die Kreditaufnahme soll 20 Mio.€ betragen. Durch die Einnahmeausfälle steigt jedoch das Minus im Ergebnishaushalt von 6 auf 22 Mio.€, was in den Folgejahren auszugleichen ist. Wie das ordentliche Ergebnis am Jahresende aussehen wird, ist ungewiss, da es mehrere Unbekannte gibt:

  1. Welche Höhe wird die Gewerbesteuer bis zum Jahresende erreichen?
  2. Wie hoch fällt der Ausgleich für die Gewerbesteuer durch Bund und Land aus?
  3. Wieviel Liquiditätsunterstützung benötigen städtische Beteiligungsunternehmen?

Sehr hart getroffen wurde die Messe FN, die fast 6 Monate lang kaum Einnahmen generiern konnte und nun ab September wieder starten darf. Der Messestart wird, wenn auch unter Auflagen, positive Ausstrahlungen auf Hotelerie und Gastronomie, den ÖPNV, Messebauer und letztlich auch auf unseren ebenfalls gebeutelten Flughafen haben. Alle Positiva können dazu führen, dass das Minus im Ergebnishaushalt kleiner als geplant ausfällt, der Kreditrahmen vielleicht nicht voll ausgeschöpft und so die Aufstellung der Folgehaushalte erleichtert wird. Die FDP-Fraktion möchte Ihnen, Herr Brand, ihren Kollegen und der Kämmerei ausdrücklich für das sehr besonnene Vorgehen bei der Erstellung des Nothaushalt 2020 danken. Aufgabenkritik und Grundsatzdiskussionen, über das, was wir uns noch leisten können oder wollen, brauchen Zeit – Zeit zum Überlegen, Diskutieren und Abwägen. Zeitdruck wäre hier kontraproduktiv. Die Diskussion wird sicher nicht einfach und teilweise kontrovers ausfallen, denn es ist nicht prophetisch zu behaupten, dass es 2021 und 2022 knapp und eng werden wird. Ohne zweiten Lockdown wird momentan mit einem Minus des BIP von 6,5% dieses Jahr in Deutschland gerechnet. In einigen EU-Ländern sieht es viel schlechter aus: in Frankreich und Italien könnte das BIP um 12-13% einbrechen, was uns als Exportweltmeister und ebenso Lieferketten treffen dürfte.

 

Knapp und eng wird es auch im Stiftungshaushalt. Das empfinde ich als langjährige Stadträtin als besonders einschneidend! Der Ergebnishaushalt der Zeppelinstiftung kann im Jahr 2020 gerade noch ausgeglichen werden. Anders als 2009 wird die Betriebsmittelrücklage wohl 2021 nicht ausreichen um alle laufenden Kosten zu decken. Hinzukommt der erwartbare Dividendenausfall beim Stiftungsunternehmen ZF. Ich frage mich, ob der Stiftungshaushalt in den letzten Jahren überfrachtet wurde. Sind zuviele Projekte und Vorhaben im Stiftungshaushalt realisiert worden? Auch diese Diskussion wird nach der Sommerpause zu führen sein.

 

Die FDP-Fraktion stimmt beiden Übergangshaushalten mit Stellenplan ohne Änderungswünsche zu.

 

gez. Gaby Lamparsky